Der Kunstverein Göttingen e. V. startet mit einem lichtdurchfluteten und farbigen Akzent in sein Ausstellungsjahr 2005. In den Räumen des Alten Rathauses beziehen im Januar/Februar die Bilder von Nina Kluth (*1974, Schwäbisch Hall) eine erfrischend kompromißlose Position auf dem Felde einer immer wieder fälschlich todgesagten Malerei.
Wo andere in die Vielfalt der neuen Medien abdriften, oder sich von den längst fließend gewordenen Übergängen zwischen den Gattungen zu Grenzüberschreitungen verführen lassen, da bleibt Nina Kluth unbeirrbar. Sie malt. Gattungseinordnungen und Genrezuschreibungen steht sie gelassen gegenüber. Sie malt Landschaften.
Mit reaktionärer Abbildhaftigkeit haben ihre Bilder allerdings wenig gemein. Mit Erinnerungen an erlernte Darstellungskonventionen dafür um so mehr. Auf zumeist großformatigen Leinwänden hinterläßt die Künstlerin ein ganzes Konglomerat an farbigen Spuren. Auf geschwungenen Linien wie Pfaden taucht man hinein in ein Meer aus Formen und Farben wie in ein Dickicht am Wegesrand. Mit resolutem Pinselstrich, der in jeder seiner Formbiegungen immer auch lautstark und unübersehbar von eigener Handschrift spricht, ruft Nina Kluth entfernt-vertraute Formkonstellationen auf. Mit wenigen schwarzen Linien werden grüngefärbte Farbknäule oder gelbbraunes Liniengeäst unverrückbar in den Leinwandlandschaften verankert. Sie könnten ein Baum, ein Strauch, aber auch nicht mehr und nicht weniger als eine freie Komposition aus Farben und Formen sein. Genau genommen fordern sie dazu auf, sie nie nur als das eine oder das andere zu sehen, sondern sie stets synchron in ihren beiden „Aggregatzuständen“ zu betrachten.
Aus den zwei hinlänglich bekannten Einbahnstraßen, von denen die eine vom Gegenstand zwangsläufig zum gemalten Abbild führte, während sich die andere vom Material in die Ungegenständlichkeit geleitet sah, wird offenes, neu begehbares Terrain. In diesem wiedereroberten Freiraum – präzise austariert zwischen Formfindung und Malgestus – laden die Bilder Nina Kluths mit einem breit angelegten Werg aus Tiefenlinien und Farbtupfen zu ausgiebigen Spaziergängen durch lichtdurchflutete Landschaftsräume ein. Eindrucksvoll vibriert diese Landschaftsmalerei in ihrer Doppeldeutigkeit, in der Pinselstrich und Farbauftrag keinen Augenblick lang in Vergessenheit geraten lassen: Ausschließlich in der Malerei von Nina Kluth wird hier genußvoll geschlendert und nicht in einer Parklandschaft.
Anja Marrack, 2005