„Casual swipes of thickly applied paint, bright splotches, and spreading patches of color that occasionally allow a glimpse of bare canvas: Nina Kluth develops her paintings with a tempestuousness and roughness that is, in the end, carefully calibrated. Her virtuoso alla prima paintings often look nearly abstract on first glance, but invariably also resolve into naturalism.
Although Kluth`s work is explicitly anchored in the depiction of landscape, the representational content is balance by the emphasis she places on the role of color, the materiality of the paint, and her rich, surprising compositional choices.
She is aided in this by her choice of subject: Kluth draws her motifs from the ubiquitous forms of urban vegetation, the typically scraggly „urban nature“ typified by weeds hemmed in by walls and facades and force into new forms – branches sticking out like spears, strangely contorted bushes, underbrush struggling for a ray of sunlight, sometimes towering up between buildings, sometimes dwarfed by their shade.
Parks and allotment gardens with their inherent artificiality are well suited to join this panoply of motives, an urban vegetable underclass that, left to its own devices, succeeds in populating the undefined interstices and margins throughout a city’s fabric.
Kluth extrapolates these expansive yet disintegrating moments of vegetative order into a kind of latent abstraction and develops them into something new. References to particular objects are used, she says, merely to provide „easy points of access for a way of seeing that is then continued in the abstract.“
This is particularly true of her most recent work, seen in her show „Zwillingskristall“. In these paintings, representation arises only to crumble, giving way to the painterly as an independent force. Whereas her earlier pictures were often dominated by colorful linear gestures – the pictural space defined by minimal points of reference such as elements of a facade, the line of a horizon, or bits of perspectival distance glimpsed through gaps- these new paintings increasingly resolve into abstract patterns, conjuring an almost amorphous sense of hue and space through color choices and compositional layerings.
One sees depth, one sees the space of landscape itself, but otherwise the imago has de facto dissolved to the point of utter abstraction.“
Jens Asthoff, Artforum International, März 2009 (Übersetzung: Oliver E. Dreyfuss)
An die Natur, 2014
„Als hätte die Malerin alle Fenster und Türen des Museums geöffnet und uns damit den weiten Lichtblick nach Draußen gewährt. Finden Sie nicht? Den seelenverwandten Blick in eine kleine, belaubte, parkähnliche Nische, wie in dem Chateaubriand gewidmeten gleichnamigen Bild, oder den imaginierten Blick bis hin zu den Pfedelbacher Obstwiesen ihrer Kindheit in Baden-Württemberg. Es sind Bilder, denen man ihre Titel unbesehen abnimmt, ohne die Ortsbestimmung nachvollziehen zu müssen, da man ansonsten Zaungast bliebe. Es sind Landschaften, die getrost „Tür“ und „Aus dem Fenster“ heißen können. Denn sie atmen die Anverwandlung eines Blicks aus. Den der Malerin nämlich, die uns Landschaft zeigt, wie nur sie, Nina Kluth, sie gesehen und transformiert hat.
Zwei Zeilen eines Gedichts von Daniela Seel aus dem Band „ich kann diese stelle nicht wieder finden“, die eigentlich auf die unmittelbare Wahrnehmung zielen, legen mir heute die Frage nahe, ob es gelingen kann, den Bild gewordenen Blick auf die auslösende Wahrnehmung zurückzuführen: „werde ich sehen können/was du siehst“. Aber geht es denn in dieser Ausstellung überhaupt darum? Nein. „Ich male einfach die Bilder, die ich selber sehen möchte“, antwortet die Malerin, „tatsächlich halte ich es für unwichtig, den realen Ort noch ablesbar zu haben, es geht ja nicht um eine Dokumentation. Wichtig ist mir, den Bildern einen Titel zu geben, denn er gehört gewissermaßen zum Abschluss der Arbeit dazu. Dafür präferiere ich schlichtweg den Ortsnamen, der auch tatsächlich Bild gebend gewesen ist.“
Eine überschwängliche Farbigkeit zeigt sich, als wäre die Palette mit den vegetativen Farbkaskaden der wohltemperierten Jahreszeiten gefüllt und mit schwärmender Leidenschaft für Landschaftsgestaltung gehalten worden. Der Blick des Betrachters mag anfangs die Orientierung verlieren, er gewinnt sie zurück. Denn Nina Kluth bevorzugt lichte Bildräume. Räume, die sich den Augen der Betrachter langsam öffnen. Anfangs suggerieren die Bilder, man könne einen Zweig oder Ast anheben, um der Tiefe gewahr zu werden. Man kann die Wahrnehmung als Illusion belächeln, und trotzdem entsteht in mir das Gefühl, ich bliebe unbemerkt. Die Empfindung resultiert sicher aus der Tatsache, dass selbst in den Tiefen des Bildraumes kein Personal, ob Tier, ob Mensch, zu entdecken ist. Die Malerin verzichtet auf Staffage, denn Sie feiert die Landschaft allein. Sei sie bergig, wie das spanische Iznate in der Nähe von Malaga, oder suburban, wie die hiesige Schönfließer Heide, dort, wo 1950 das EKO aufgebaut wurde. Oder sie ist von einem maritimen Klima geprägt, wie Saint-Malo in der Bretagne. Ein Ort, den sie erst kürzlich besuchte. Der dort geborene und begrabene Schriftsteller Chateaubriand veröffentlichte vor 200 Jahren in seiner „Vorrede zu Atala und René“: „Die Phantasie strotzt von einem Reichthum an Bildern und Wundern, während das Leben selbst arm und inhaltslos ist und jedes lieblichen Zaubers entbehrt. Mit einem Herzen voll schöner und herrlicher Gefühle bewohnt man eine öde Welt, und ehe man sich die Freuden dieser Erde noch recht zu Gemüth geführt hat, erscheinen sie Einem bereits schaal und abgenützt.“ Der Autor bezeichnete seine Beschreibungen, in denen seine Reiseerlebnisse die literarische Rahmenhandlung und die Atmosphäre bestimmten, gern als „Gemälde“.
Die Bilder von Nina Kluth entstehen zwar nicht im Freien, dennoch werden sie von einer Impression ausgelöst, die Draußen, d.h. im Freien ihren Ursprung hat. Selbst, wenn es sich um ein Foto handelt, das sie durch das Fensterglas ihres Ateliers aufgenommen hat. Während des Malens im Atelier beginnt die Sublimierung. Sie malt mit einem zeichenhaften Gestus. Sie folgt dem Impuls ihrer den Pinsel führenden Hand, „der schneller ist als der Kopf“, wie sie sagt. Die Unmittelbarkeit des Pinselstrichs schließt die Bewusstheit für Komposition nicht aus. Man sieht den Bildern an, dass die Sujets mit einem hohen Formbewusstsein entstanden sind. Dafür spricht ihre Maltechnik. Anfangs ist die Geschwindigkeit des Auftragens hoch, denn sie beginnt mit Wachs- und Acrylfarben. Acryl trocknet schnell. Danach zügelt sie ihr Temperament. Zitat: „In den oberen Schichten, wenn eine Grundanlage steht, nehme ich Ölfarben. Die Struktur des Pinselstrichs ist angenehmer, die Trocknung verändert nicht die Farbe, es entsteht eine gewisse Brillanz.“ Die erwähnte Brillanz hat eine haptische Eigenschaft, die auf die pastose Malhaut der Ölfarbe zurückzuführen ist. Mit deren zäher Konsistenz erzeugt die Malerin Valeurs, d.h. sanfte Übergänge von Licht und Schatten sowie betörende Farbreflexe. Das eigentlich raffinierte an ihrer Malweise besteht in der Gabe, einen gestaffelten Bildraum mit äußerster Reduktion der einbezogenen Details zu komponieren. Ihre Landschaftsbilder besitzen fragile, vegetative Konturen, die aufscheinende Ahnung von Bauten und oftmals schweben, tanzen oder flirren florale Farbpartikel, die eine transparente Gaze bilden. Die kleinformatigen Studien verstärken den Eindruck, mit welcher Lust Nina Kluth malend zu Werke geht. Und, um mit der Frage von Christoph Wilhelm Aigner zu enden: „Sollte Kunst nicht das Medium sein, das Menschen am unmittelbarsten an ihre Natur heranführt, egal ob sie im siebzehnten Stockwerk wohnen oder in einem Landhaus?“ Das Reizvolle an der Frage ist, dass die Antwort leicht fällt aber schwer wiegt. Denn Aigner hat sie so doppeldeutig gestellt, dass mir, wenn ich „Ja“ sage, klar wird, dass wohl die uns umgebende Natur gemeint sein könnte, verehrtes Publikum. Aber warum sollte ich die Zweitbedeutung des Zitats in den Wind schlagen? Kunst ist schließlich auch ein Medium, das Menschen mit ihrer ureigenen, der menschlichen Natur vertraut macht – das Publikum als auch die Künstler. Vielen Dank!“
opening speech Museum Eisenhüttenstadt, am 12.4.2014, Thomas Kumlehn
Ausstellungseröffnung Kunstverein Göttingen, 2005
„Guten Tag, ich freue mich. Schauen Sie sich bitte die Bilder von Nina Kluth an. Dabei werde ich kurz über Orte, Atmosphären, Ereignisse und Erwartungen sprechen. Natürliche Landschaften kennt man vor allem aus dem Fernsehen. Die uns nächste grüne Landschaft, die Peripherie um die Städte herum, müsste uns eigentlich die selbstverständlichste Heimatlandschaft sein, ist es aber aus irgendwelchen Gründen nicht, sie wirkt auf uns unordentlich, zersträubt und ein wenig verwahrlost.
Natur, natürlich! Aber nur vorausgesetzt, Natur ist das Paradies. Sicher und sauber. Natur wird ästhetisch reproduziert in Lyrik und Malerei. Natur ist versöhnlich. Natur ist auch Bedürfnisbefriedigung, konsumierbar. Man trägt diesem Bedürfnis Rechnung, indem man sich mit Surrogaten von Natur umgibt, auf Bildern meist. Die Natur ist übrigens auch ein Arschloch.
Natur ist aber besonders geeignet, Atmosphärisches zu transportieren, und zwar nicht als Naturwissenschaft, sondern als Kategorie der Malerei. Natur, wie wir sie auf den Bildern von Nina Kluth sehen, gibt es, sofern sie atmosphärisch ist, sonst nicht. Es ist eine sinnliche Erkenntnis von Natur.
Man muss diese Erkenntnis mehr einer Gemütsstimmung als der Natur zurechnen. Aber die Natur provoziert diese Stimmung. Natur ist neben ihrer beschreibbaren Dinghaftigkeit eben ständig im Aufbruch oder Durchzug begriffen, sodass man etwa sagt: „Der Wind ist schneidend.“ womit man zwar den Wind als physikalischen Gegenstand benennt, das Scheiden aber nicht ernstlich, also physikalisch meinen kann, aber eben viel besser, nämlich atmosphärisch, es ist ein Halbding, eine Empfindung.
Die Peripherie ist hier der Platz der Erscheinung, der Ort der Erwartung. Dabei ist mit dem Ort nicht der reale Raum gemeint, sondern der Raum in der Erscheinung. Peripherien gibt es real, aber auf den Bildern sind die Szenen keine stadtplanerischen Absonderlichkeiten, sondern, unabhängig von ihrer Realität, nur erwartete, erscheinende Wirklichkeiten. Das ist nicht mystisch, sondern ganz normal, so wie man bei einem schwarzblau zugezogenen Himmel sofort denkt – Regen, es regnet aber gar nicht. Es sind Wirklichkeiten, die wir erwarten. Hier: Laubüberfall. Inszenierung macht Wirklichkeit erst möglich, wenn sich eine Königin nicht entsprechend anzieht, wird man sie nicht als solche erkennen.
Als was treten uns diese Bilder entgegen? Als menschenleere. Von Vegetation beherrschte. Aus dem Winkel betrachtet, den man sonst immer übersieht, willentlich. Eine Art Agentenblick durch das Gestrüpp auf den Tatort. Und da gibt es auf allen Bildern eine Tanzfläche für eine Tat. Den Ort des Geschehens. Welches Geschehen? Was wird erwartet? Jeder wird nun, ganz nach Temperament, Morde, Taufen oder Heiratserklärungen draufprojizieren auf diese Tanzböden.
Nina Kluth malt Bilder wie Romananfänge. Die meisten Romane beginnen schon im ersten Satz mit einem Ort, z. B.:
„Er lag der Länge nach auf dem braunen nadelbedeckten Boden des Waldes.“
(Ernest Hemingway, Wem die Stunde schlägt)
„Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! Es grünten und blühten Feld und Wald … “ (Johann Wolfgang Goethe, Reineke Fuchs)
„Wir starten in La Guardia, New York, mit dreistündiger Verspätung infolge Schneestürmen.“ (Max Frisch, Homo faber)
„Bei dreiunddreißig Grad im Schatten lag der Boulevard Bourdon vollständig verlassen da.“ (Flaubert, Buvard und Pecuchet)
„Gegen den Strich des Weizenfeldes drang, vom jenseitigen Rain Schafsblöken herauf.“ (Frank Schulz, Morbus Fonticuli)
Das waren jetzt vier Anfänge aus rund zweihundert Jahren Literaturgeschichte. Man kann an diesen Beispielen ganz gut ermessen, dass sich auch in vierhundert Jahren nichts wesentlich ändern wird, wenn es darum geht, eine Erwartung zu produzieren, man muss lediglich einen Ort benennen, und schon geht es los. Und so müssen Sie sich auch die Bilder von Nina Kluth anschauen, warten Sie eine kleine Weile, und schon geht es los. Es sind also keine Besinnungsbilder, sondern Agentenbilder. Der Betrachter muss aufpassen. Ein Ereignis wird gleich stattfinden, und zwar nicht auf dem Bild, sondern im Auge.
Das heißt aber nicht, dass Sie die Bilder mit ihrer Stimmung beeinflussen können, sondern, dass Sie einen gestimmten Raum betrachten, der zu ihrer Stimmung in Diskrepanz stehen kann. Bildende Kunst kann einen Raum auffalten und dann so stehen lassen. Weitere Information zerstört das erwartete Ereignis. Das heißt, ganz kurz, nachdem der Ort aufgefaltet ist, muss man sofort aufhören mit der Erklärung, weil die Ereignisse sonst auf eine langweilige Offenkundigkeit hinauslaufen, für die man nicht extra die Augen aufmacht. Die exakte, sozusagen naturwissenschaftliche Benennung bleibt ein für alle Mal Teil der Behördensprache, zu der man sich gar nichts mehr vorstellen kann, weshalb man dann auch nichts mehr versteht.
Diese Paradoxie ist ganz reizend. Die Bilder von Nina Kluth zeigen also einen Ort, oft sogar den Straßennamen im Titel, aber nicht exakt genug, um Genaueres von ihm zu wissen, und gewinnen dadurch einen Überschuss an Ereignismöglichkeiten, die man sich nur darum vorstellen kann, weil man es eben nicht genau weiß, schließlich ist man sich als Betrachter aber doch ganz sicher, dass es sich um genau das Ereignis handeln wird. Das sind Agenten- und Projektionsprobleme. Man würde sehr gerne genau das sehen, was man erwartet. So wie man einen Mann verfolgt, weil man glaubt, dass er unter Verfolgungswahn leidet.
Lernen tut man allerdings nichts dabei, also nichts Handgreifliches, wie man ein Schwein schlachtet z. B. oder ein Haus verputzt, eine Hecke auslichtet oder Honig schleudert. Alle diese Kulturtechniken finden auch nicht in der Peripherie statt, sondern im Garten, und damit ist man sofort den Agentenstandpunkt los, die Beobachtung weicht einer Besserwisserei und eingehegten, informierten Gegenständen: Hacken, Kellen und Forken. Atmosphären gibt es natürlich auch im Geräteschuppen und auch beim Arbeiten, gegen ihr halbdinghaftes Wesen kann man aber nicht handhaben. Der „locus amönus“, der reizend gelegene Ort, ist transitiv und nicht zuhanden. Und er lässt sich zurzeit am besten in der Peripherie finden, einer Natur, die atmosphärisch noch nicht von der Bierwerbung eingeholt ist.
Das Schöne an diesen Orten ist nicht das malerisch Verwuschelte und dass Spießer einen solchen Ort bestimmt blöd finden, sondern die Halbdinghaftigkeit, der Überschuss. Dieser kommt an scheinbar überflüssigen Orten ungestört zur Entfaltung. Dieser Zustand ist ständig im Zerfließen begriffen. Wird er stillgestellt das heißt, sinnvoll nutzbar und durchstrukturiert und noch mit einem Label versehen, kann man den Ort nicht mehr gebrauchen. Nicht für diese Malerei.“
Ausstellungseröffnung Kunstverein Göttingen, Nora Snud, 2005
„Ich rede hier gar nicht von verschämten Töchtern, welche in Wasserfarben heimlich eine Trauerweide malen, unter welcher irgend ein bekränzter Krug steht, an dessen Fuße Vergißmeinnicht blühen, welches Werk die Mutter zum Geburtstage erhalten soll; ich rede ferner nicht von den Erzeugnissen, welche Reisende von dem Dampfschiffe oder dem Fenster ihres Gasthauses aus in ihr Handbuch als Erinnerung eintragen; ich rede auch nicht von den Landschaften, welche Schönschreibmeister in ihre Verzierungen verflechten, noch von den Packen Zeichnungen, welche alljährlich in den Fräuleinschulen verfertigt werden, unter denen sich viele Landschaften mit Bäumen befinden, auf denen Handschuhe wachsen.“ (Stifter, Nachkommenschaften)
Ich rede von Ereignissen. Jetzt ist nämlich schon wieder was passiert. Hätten sie nicht gedacht, so anmutig wie sich die Böschung schließt aber eben ist ein Auto vorbeigefahren. und Nebel wird es auch geben, aber erste heute Abend. Hier kann man etwas gemalt sehen, wildgewordene Natur in der Stadt. flatternd zappelt Laub durchs Bild, ein grünes Gehölz im Hintergrund, noch dahinter eine Brücke noch weiter dahinter die Stadt. Hinter-, Hinter- und Hintergrund plus ganz Vorne, etwas daß man nicht scharf stellen kann, weil es so dicht ist. Naheliegend wäre zu denken, es handele sich hier auch um Geäst oder Laub vielleicht ist es aber etwas anderes, man wird das nie wissen. Um zur Anmut zu kommen, das kann man jetzt mal wissen, souverän ist das, also auch anmutig und mit der Malhand auf allen Stellen auch den Weißen, aber harmonisch – nein.
Hier ist zu sehen in welchem Maß dem Zwang des Gebildes gehorcht wird. Es gelingt dennoch und zwar desto vollkommener, je spurloser die Intention im Gemalten aufgehoben ist. Da reißen die Äste ab, brechen schwarzblaue Brocken von der Decke oder was ist das, wieder so eine Sache die man nicht scharf bekommt. krümmt sich würgend ein Stab, rastet ein Dickicht aus. spratzt , kratzt, forkelt die Natur, aber es gibt ja auch Häuser mit Rechtenwinkeln, Türen, Fenstern, Dächern , alles am richtigen Ort, geradezu geordnet.
In der Mediävistik sind wilder Wald und weite Welt seinsidentisch, heute gibt es dann das Dickicht der Städte, auch sehr gut zum verlaufen. Blöd rumsuchen kann allerdings jeder, finden das ist es.Verquälte Begierde nach Harmonie ist es immer, aber vor allem natürlich nach Malerei. Gefühle hat man früh genug. Eine illustre Gruppe Gebüsche findet sich jenseits der staubigen Kunstpisten in einem Streßgärtlein abgestoppter Andacht. Sehen sie da hinten ist die Tür. Dies sind Urteile ohne Begründung. Besser noch, die Kunst begründet das Urteil. Wer sehen mag, schaut in eine Abgeschiedenheit.
Menschenleer sind die Bilder. Zivilisationsscham verraschelt. Flache Viereckige Willenspillen, Willenslaub. Man verengt die Einflußsphäre. Wozu dient das Gestrüpp? was ist damit gemeint? Welche Jahreszeit man hat? Ist das Alles? Das man sich bewegt und Pflanzen nicht so? Um welches Medium es sich handelt? Landschaftsmalerei. Es ist kein Selbstportrait. Für das Herausragende soll eine Lösung gefunden werden, die nicht Romantisch ist. Drei gestaffelt, drei Todsünden, 3 Musketiere, 3 Faltigkeit, drei Sprung, drei Weise aus dem Abendland, sehr europäisch , kann man schon an den Laubformationen sehen. Außerdem Laub – Hochbrücke ein Haus.
Ist das eine Straße oder eine Lichtung, hat der Reiseveranstalter hier das falsche Bild ausgesucht, hat das Bild außer das es wirklich ist, auch noch der Wirklichkeit zugenügen oder ist es wie Urlaub, schließlich entzieht sich die Wirklichkeit sowieso unserer Handhabung, weshalb man geschwind ein Bild macht, und anschaut um diesen Prozess zu unterbrechen. Die grüne Zelle. Fleckend, winkelnd, eine Schlammfläche miederfarben. ein weißes Haus mit rotem Schindeldach, Komplementäres leuchten, rot grün rot grün. ocker lahmt , hochreißende stangen. kleinstaaterei der Zentren. Schattig. Und Interessant, wenn man später einmal wieder vorbeikommt ist schon wieder etwas passiert.
„Es war in der tat längst nicht mehr auszuhalten, immer von der freien und für sich bestehenden Welt des Schönen, welche durch keine Realität,durch keine Tendenz getrübt werden dürfe, sprechen und räsoniere zu hören, während man in der gröbsten Inkonsequenz doch immer Menschen, Tiere, Himmel, Sterne, Wald, Feld und Flur und lauter solche Trivial wirkliche Dinge zum Ausdrucke gebrauchte.“
Diese ernste Überlegung bekommt „Der grüne Heinrich“ zu hören. Man kann Wald, Himmel und solche Dinge mittlerweile sehr gut wieder brauchen.“
Katalogtext zur Ausstellung „Westhafen“ im Kunstverein Göttingen 2005, Nora Sdun
Thomas Deecke, 23.Oktober 2004
Seit dem Beginn der Moderne ist die Malerei schon mehrfach tot gesagt worden und dennoch ist sie immer wieder wie der Vogel Phoenix aus der Asche temporärer Geringachtung zu Höhenflügen aufgebrochen. Gelegentlich aber endete dieser Höhenflug nach einem kurzen steilen Aufschwung mit einem steilen Absturz, wie bei den so genannten Neuen Wilden, die den Hunger nach Bildern nur für kurze Zeit befriedigen konnten.
Immer einmal wieder aber wurde die Geduld und der lange Atem belohnt. Es ist immer wieder behautet worden, dass es wirklich Neues in der Malerei nicht eigentlich geben könne.Es wäre aber zu definieren, wie sich das Neue in der Malerei zeigen sollte,ob man damit die Innovationen oder die Bilderfindung z.B. eines René Magritte meint, dessen malerische Kraft weit hinter seiner erfinderischen zurückblieb, oder ob die Malerei den Zweck ihrer Existenz wesentlich, wenn auch nie ausschließlich, in sich selber sucht, wie beispielsweise bei den Informellen, der Colourfield Malerei oder bei den Konkreten oder ob es im besten Falle gelingt, eine Balance zwischen Inhalt und Form zu halten.
Die Spitzenkragen eines Frans Hals sind ebenso offensichtlich aus Pinselstrichen banaler Ölfarben geformt, wie sie farbigen Nebel eine William Turner; das Lächeln der Mona Lisa ebenso aus Farblasuren aufgebaut wie die ‚American Flag’ von Jasper Johns in der seltenen Enkaustik Technik. Malerei lebt aus der Täuschung, erzeugt Illusionen, überwindet die Grenze des Materiellen ebenso wie auch zugleich des Illusionistischen. Ist der Anspruch an die Malerei deshalb womöglich höher einzuschätzen, als die konzeptuell mit Innovationen überraschende konzeptuelle Kunst? Zumindest erfordert die Malerei höhere Ansprüche an Handwerklichkeit und Könnerschaft, was immer daraus resultieren wird. Wilhelm Worringer hätte gesagt: „Ich antworte mit Fragen!“ Eines ist jedenfalls sicher, wer die Malerei wählt. Hat sich sicherlich einen, wenn nicht für den schwierigeren Weg entschlossen.
Nina Kluth hat sich für den Weg in die Malerei entschieden. Sie bewegt sich also in dem schwierigen Grenzraum zwischen zwei – im Grunde genommen – gegensätzlichen Polen des Malerischen, einerseits dem Verlangen, das Gesehene, das bildhaft Erfahrene auf der Fläche des Bildraumes wiedergeben zu wollen und andererseits einer freien und – wie es zuerst erscheinen will – ungebundenen Malerei des offensichtlich Gestischen. Wir können bei der Betrachtung ihrer Bilder nicht umhin, uns der Landschafts- und Städtebildererfahrungen unseres Musées imaginaires zu erinnern und sie – hinter der virtuosen Malerei – wieder zu einer erinnerten Realität zusammenzufügen, als würden wir die Vor-Bilder der Malerin kennen.
Diese Bilderinnerungen werden – bei genauerem Hinschauen – ausgelöst durch frei auf die Fläche gesetzte und gelöst über die Bildfläche tanzende farbige Pinselstriche, die in der Wirklichkeit auf der Oberfläche neben- und übereinander, in der Fantasie aber wie in einem Vor- und Hintereinander angeordnet zu sein scheinen und dadurch die Illusion vom Raum und Tiefe suggerieren.
Was also ist an den Bilder von Nina Kluth so besonders oder liegt das Besondere in ihrer gebändigten malerischen Virtuosität? Liegt es womöglich darin, dass sie sich in malereiarmer Zeit traut, wieder auf das alte Medium Farbe zu setzten, sich womöglich des Vorwurfes aussetzt, altmodisch (oder postmodern) zu sein und Natureindrücke und visuelle Erlebnisse, wie schon seit vielen Jahrhunderten gepflegt, so in Malerei umzusetzen, dass ihre Bilder auf beiden Schultern tragen, so wie es die Malerei immer tat, wollte sie nicht rein abbildhaft bleiben?
Nina Kluths Bilder vermitteln, was eigentlich nicht vereinbar zu sein scheint: das Zusammenwirken von Sujet und Methode. Beide Komponenten halten sich bei ihr der Waage und bleiben gleich gewichtig. Das macht in ihren Bildern die Spannung aus; beides ergänzt sich auf eine sehr eigene und trotz aller Traditionalität der bildnerischen Mittel unverwechselbare Weise. Man ist sich zu recht nie sicher, ob man ihre Bilder als Malerei über oder von etwas oder als Malerei sui generis erlebt. Kluths Bilder bleiben in diesem frag-würdigen (!) Schwebezustand. Und das ist gut so.
Thomas Deecke, 23.Oktober 2004
Der Kunstverein Göttingen e. V. startet mit einem lichtdurchfluteten und farbigen Akzent in sein Ausstellungsjahr 2005. In den Räumen des Alten Rathauses beziehen im Januar/Februar die Bilder von Nina Kluth (*1974, Schwäbisch Hall) eine erfrischend kompromißlose Position auf dem Felde einer immer wieder fälschlich todgesagten Malerei.
Wo andere in die Vielfalt der neuen Medien abdriften, oder sich von den längst fließend gewordenen Übergängen zwischen den Gattungen zu Grenzüberschreitungen verführen lassen, da bleibt Nina Kluth unbeirrbar. Sie malt. Gattungseinordnungen und Genrezuschreibungen steht sie gelassen gegenüber. Sie malt Landschaften.
Mit reaktionärer Abbildhaftigkeit haben ihre Bilder allerdings wenig gemein. Mit Erinnerungen an erlernte Darstellungskonventionen dafür um so mehr. Auf zumeist großformatigen Leinwänden hinterläßt die Künstlerin ein ganzes Konglomerat an farbigen Spuren. Auf geschwungenen Linien wie Pfaden taucht man hinein in ein Meer aus Formen und Farben wie in ein Dickicht am Wegesrand. Mit resolutem Pinselstrich, der in jeder seiner Formbiegungen immer auch lautstark und unübersehbar von eigener Handschrift spricht, ruft Nina Kluth entfernt-vertraute Formkonstellationen auf. Mit wenigen schwarzen Linien werden grüngefärbte Farbknäule oder gelbbraunes Liniengeäst unverrückbar in den Leinwandlandschaften verankert. Sie könnten ein Baum, ein Strauch, aber auch nicht mehr und nicht weniger als eine freie Komposition aus Farben und Formen sein. Genau genommen fordern sie dazu auf, sie nie nur als das eine oder das andere zu sehen, sondern sie stets synchron in ihren beiden „Aggregatzuständen“ zu betrachten.
Aus den zwei hinlänglich bekannten Einbahnstraßen, von denen die eine vom Gegenstand zwangsläufig zum gemalten Abbild führte, während sich die andere vom Material in die Ungegenständlichkeit geleitet sah, wird offenes, neu begehbares Terrain. In diesem wiedereroberten Freiraum – präzise austariert zwischen Formfindung und Malgestus – laden die Bilder Nina Kluths mit einem breit angelegten Werg aus Tiefenlinien und Farbtupfen zu ausgiebigen Spaziergängen durch lichtdurchflutete Landschaftsräume ein. Eindrucksvoll vibriert diese Landschaftsmalerei in ihrer Doppeldeutigkeit, in der Pinselstrich und Farbauftrag keinen Augenblick lang in Vergessenheit geraten lassen: Ausschließlich in der Malerei von Nina Kluth wird hier genußvoll geschlendert und nicht in einer Parklandschaft.
Anja Marrack, 2005
Nina Kluth, die an der Kunsthochschule in Hamburg bei Olav Chrisopher Jenssen und Werner Büttner studierte, folgt einer abstrakt ausgerichteten, dynamisch-spontanen Malerei. Sie steht damit in der Tradition der informellen Malerei, die zu den Sammlungsschwerpunkten der Neuen Galerie gehört. Nina Kluths Malerei ist ein überzeugender Beweis wachsender Auseinandersetzung mit malerischen Ausdrucksformen, die sich immer mehr neben Fotografie, Video und Installation behaupten.
Außerdem bildet die Malerei von Nina Kluth ein anschauliches Gegengewicht zur derzeit hochgeschätzten Gruppe um den Maler Neo Rauch. Dabei sind die Verfahren der Bildentstehung durchaus vergleichbar. Beide Positionen arbeiten mit Collageprinzipien, die sich leicht aus Filmschnitten/Videos ableiten lassen. Die Gruppe um Neo Rauch gestaltet die Bilder aus surrealen, figurativ-erzählerischen, häufig auch „propagandistischen“ Details, während die Position von Nina Kluth bewusst von Stimmungen getragene Qualitäten einsetzt. Dabei beherrscht auch Nina Kluth das wirkungsvolle Repertoire wechelnder Räumlichkeiten und Überschneidungen mit variantenreichem Farbauftrag.
Marianne Heinz,
anlässlich der Ausstellung Neuerwerbungen 2004
für die Neue Galerie Staatliche Museen Kassel
Am Imbiss-Eck
Das Wochenende vor der Art Forum Eröffnung. Yorckstraße kurz hinterm Mehringdamm. Lässige Standortwahl zwischen Burger King und Döner. Die Eröffnung einer Berlin-Dependance der Hamburger Galerie Dörrie*Priess mit Nina Kluths Bunches and circles. Der Titel der Ausstellung konterkariert – bewusst oder zufällig – die stadträumliche Situation. Im Umkreis der Yorkstraße 89 findet keine Galeriebündelung wie an der Zimmerstraße statt, es herrscht keine Fußläufigkeit bei Rundgängen. Fast schon draussen auf dem Land für hiesige Verhältnisse. Zur Eröffnung mit Landschaftsmalerei an den Wänden.
Die Stadt selbst läuft ja schon ziemlich heiss: Fotoausstellung im Gropiusbau, nochmal schnell Gunter Reski bei WBD, gerade nochmal Minimalistische Werke vom 1.FC Flick im Hamburger Bahnhof. Und sicher noch ganz viel mehr. Vorabend der Messe eben. Sowas wie ostentative Unaufgeregtheit hingegen bei der gestrigen Eröffnung des Berliner Dörrie*Priess-Standortes. D*P sind in Hamburg ‘ne gute Adresse mit fundiertem Programm, das inzwischen vielleicht einen leicht konservativen touch bekommen hat. Feine Zeichner wie Hanns Schimansky, gute, erfahrene Männer wie Balkenhol oder vom Bruch. Hilka Nordhausen, Herr Müller, ehedem Tödliche Doris. D*P sind vielleicht das, was Nothelfer, Raab oder Poll hier mal hätten werden können. Und das, was Wentrup vielleicht gern wäre.
Anscheinend weiss man das auch und bleibt hanseatisch gelassen, wenn es um das Galerieschild im Treppenhaus geht. Sicher hätte es auch exponiertere Räume an der Zimmerstraße gegeben. Frei ist in Berlin eigentlich immer was. Trotzdem ist D*P lieber an der unkunstigen Traditionsecke Yorckstraße/Mehringdamm gelandet, was vielleicht nur eine vorübergehende Lösung ist, vielleicht aber auch ein nettes Statement abgibt. Zur Schau gestellte Gelassenheit auch beim Fehlen einer Pressemeldung zur Eröffnung (jedenfalls liegen keine in der Galerie herum), beim Nicht-Vorhandensein eines Saaltexts. Auch fand sich nur eine sehr übersichtliche Besucherzahl in der Galerie ein – in der kommenden Woche sind D*P eh noch auf der Messe, so dass man am Freitag vorher nun nicht noch groß herum telefonieren musste.
So angenehm entspannt wie das Räumliche wirken die gezeigten Bilder von Nina Kluth. Weiter hinten sparsam blasses Öl, dünner Farbauftrag, vorne schon schwerere Farblasten. Tief gestaffelte Bildräume ohne Formal-Nervereien. Nichts Fadenscheiniges, kein Dickes, das im Gegenlicht strukturelle Schwächen offenbart. Lieber mal Stimmungen, in denen Konkretes ins Abstrakte zurück findet. Oder umgekehrt, Je nachdem, auf welche Ebene man zuerst scharf stellt. Die Künstlerin beschreibt ihren Ansatz so: “Mich interessiert das Bild als Bildraum: eine Leinwand wird im Auge niedergelegt, zu einer Fläche, einem Raum, in dem sich Gesten verorten, jeder Pinselstrich verhält sich zu dem Raum, ist konstruktiv für diesen und oder dekonstruktiv.
Zu sehen bis zum 29. Oktober in der Yorkstraße 89a und auf dem ArtForum.
Kai Hoelzner, 24.09.05, auf Kunst-Blog.com